Ihr aber …

Lectio divina zu Joh 14,15-21
Evangelium am Sechsten Sonntag der Osterzeit

15 Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten. 16 Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll, 17 den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt. Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird. 18 Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch. 19 Nur noch kurze Zeit und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und auch ihr leben werdet. 20 An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch. 21 Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.

Was sagt der Text?
– V 15 und V 21 bilden eine Klammer. Sie könnten zusammengenommen für sich selbst stehen: Haltet euch an meine Worte!
– Das Mittelstück V 16-17 (Der Geist ist Gabe des Vaters) und 18-20 (Die bleibende Gemeinschaft mit Jesus und durch ihn mit dem Vater) gliedert sich in zwei Teile. In beiden werden die Jünger besonders angesprochen: Ihr aber! „Sehen“ und „Erkennen“ sind Schlüsselworte im Text. Die Jünger unterscheiden sich von der „Welt“, weil sie sehen und erkennen.
– Der Text ist ein Abschnitt aus den Abschiedsreden des Johannesevangeliums. Er ist geprägt von „Ich – der Vater – Ihr“. Das ist Jesu Vermächtnis: Bleibt in dieser Gemeinschaft!

Was sagt der Text mir?
– Das „Ihr aber“ spricht mich persönlich an: Bin ich als Christin / Christ wirklich anders? Worin zeigt sich das?
Und wie müßte diese Unterscheidung aussehen? Sie dürfte niemanden kleinmachen und verletzen.
– Im Johannesevangelium gibt es keine Lehren Jesu im Sinn von: Tut das und macht das nicht! Er spricht über sich und seine Gemeinschaft mit dem Vater. Seine Predigt ist Einladung: Habt Vertrauen in Gott! Glaubt, daß er die Welt liebt, so sehr, „daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). Es ist zu fragen: Wie kann man da hineinwachsen?

Was antworte ich dem Herrn?
Diesmal mit einem Gebet von Charles de Foucauld:
Mein Vater, ich überlasse mich dir,
mach mit mir, was dir gefällt.
Was du auch mit mir tun magst, ich danke dir.
Zu allem bin ich bereit, alles nehme ich an …
mit einem grenzenlosen Vertrauen;
denn du bist mein Vater.
(Ganzer Text: https://www.charlesdefoucauld.org/de/priere.php)

Wie kann ich heute mit dem Text weitergehen?
– Ich kann heute spüren, worüber ich mich freue. Ich kann es als persönliches Geschenk von Gott für mich entgegennehmen.
– Ich kann heute wieder einmal Vertrauen üben – darauf achten: Wann verlasse ich mich auf etwas oder jemanden? Unser Alltag ist voll von Gelegenheiten!
– Ich kann heute noch einen anderen biblischen Text lesen: Die Seligpreisungen aus Mt 5,3-12 als Zusage an mich: Du kommst nicht zu kurz, ganz im Gegenteil!