Alle in einem Boot
Lectio divina zu Sir 27, 30 – 28, 7
Erste Lesung am 24. Sonntag im Jahreskreis
27, 30 Groll und Zorn, auch diese sind Gräuel
und ein sündiger Mann hält an ihnen fest.
28, 1 Wer sich rächt, erfährt Rache vom Herrn;
seine Sünden behält er gewiss im Gedächtnis.
2 Vergib deinem Nächsten das Unrecht,
dann werden dir, wenn du bittest, deine Sünden vergeben!
3 Ein Mensch verharrt gegen einen Menschen im Zorn,
beim Herrn aber sucht er Heilung?
4 Mit einem Menschen gleich ihm hat er kein Erbarmen,
aber wegen seiner Sünden bittet er um Verzeihung?
5 Er selbst – ein Wesen aus Fleisch, verharrt im Groll.
Wer wird seine Sünden vergeben?
6 Denk an das Ende, lass ab von der Feindschaft,
denk an Untergang und Tod und bleib den Geboten treu!
7 Denk an die Gebote und grolle dem Nächsten nicht,
denk an den Bund des Höchsten und übersieh die Fehler!
Was sagt der Text?
Das Buch Jesus Sirach bietet Merksätze, die sich in ihrer sprachlichen Komposition leicht einprägen und so zur Orientierung für das Verhalten im Alltag eignen. Hier werden drei Sentenzen geboten, die ersten beiden mit je drei Gliedern, die dritte hat noch eins mehr: drei + eins.
27,30-28-2 Die Sätze bilden eine Reihe, wobei der folgende auf dem vorherigen aufbaut: Vom Groll und Zorn zur Vergebung.
28,3-5 Rhetorische Fragen: Wer mit Groll auf seinem Recht besteht, wie kann der selbst Nachsicht erfahren?
28,6-7 Vier mal „Denk an“ – Vor Gott muß sich jeder und jede verantworten. Sein Gebot ist klar: „Liebe deinen Nächsten. Er ist wie du.“ (Lev 19,18 – Übersetzung Buber-Rosenzweig)
Die Quintessenz: Groll, Zorn und Feindschaft tun dem Menschen, der sie hegt, nicht gut.
Was sagt der Text mir?
– Zuerst fasziniert die sprachliche Gestaltung. Jeder Satz ist wert, daß man ihn beherzigt – und so formuliert, daß man ihn in einen ganz normalen Tag mitnehmen kann.
– Groll ist so alltäglich, eine normale Reaktion, wenn ich schlecht behandelt werde. Da habe ich ein Gefühl, das Raum in mir beansprucht. Ich könnte einen schönen Tag haben, aber ich ärgere mich ja über dieses und jenen. Und es kann noch viel mehr daraus werden, bis hin zu einer richtigen Feindschaft, die dem anderen Schlechtes will.
– Ich bin vor Gott verantwortlich. Ich weiß, daß ich allein aus seiner Gnade lebe. Es ist ein großes Übungsfeld, nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten, großherzig zu sein.
Was antworte ich dem Herrn?
Gott, wir glauben, und wir sagen von dir, daß du gnädig und barmherzig bist. Mach unsere Herzen weit, daß wir den Segen, den wir von dir empfangen, weiterschenken können. Steh uns bei, wenn wir uns mühen, daß aus Unfrieden neue Gemeinschaft möglich wird. Laß deinen guten Geist in uns und allen wirken.
Wie kann ich heute mit dem Text weitergehen?
– Ich kann heute auf meine Gestimmtheit achten – in ganz verschiedenen Situationen.
– Ich kann heute im Gottesdienst ganz bewußt den Friedensgruß weitergeben mit dem Wunsch: Ich bin dir gut.
– Ich kann heute in der Natur, unterwegs, auch zu Hause in den Himmel schauen und mich freuen: Ich bin frei.