„Ich bin da.“
Lectio divina zu Sir 24,1-2.8-12
Erste Lesung am Zweiten Sonntag in der Weihnachtszeit
1 Die Weisheit lobt sich selbst und inmitten ihres Volkes rühmt sie sich. 2 In der Versammlung des Höchsten öffnet sie ihren Mund und in Gegenwart seiner Macht rühmt sie sich:
8 Der Schöpfer des Alls gebot mir, der mich schuf, ließ mein Zelt einen Ruheplatz finden. Er sagte: In Jakob schlag dein Zelt auf und in Israel sei dein Erbteil! 9 Vor der Ewigkeit, von Anfang an, hat er mich erschaffen und bis in Ewigkeit vergehe ich nicht. 10 Im heiligen Zelt diente ich vor ihm, so wurde ich auf dem Zion fest eingesetzt. 11 In der Stadt, die er ebenso geliebt hat, ließ er mich Ruhe finden, in Jerusalem ist mein Machtbereich, 12 ich schlug Wurzeln in einem ruhmreichen Volk, im Anteil des Herrn, seines Erbteils.
Was sagt der Text?
Die Weisheit ist im vom Hellenismus beeinflußten Judentum eine Personifizierung der Wirkkräfte Gottes. Hier erzählt sie in der Ich-Form von sich selbst: Sie ist Gottes Geschöpf und hat ihren Anfang noch vor der Erschaffung der Welt. Es werden Räume beschrieben: „Bei Gott“ und „bei den Menschen“. Nicht allgemein und irgendwo, sondern in Jerusalem, „auf dem Zion“, „im heiligen Zelt“. Die Weisheit Gottes ist dorthin gesandt, wo der Herr seinen „Erbbesitz“ hat, bei einem „ruhmreichen Volk“. Hier hat die Weisheit ihr Zuhause. Hier wirkt der Gott Israels für sein Volk.
Der Text wirkt wie ein Hymnus, den die Weisheit auf sich selbst anstimmt, feierlich und bildreich.
Was sagt der Text mir?
Die poetische Sprache nimmt mich gefangen. Es zeigt sich ein Bild, das mich fasziniert, schön ist und vollendet.
Ich frage mich: Wann ist es jemals so gewesen, daß Gottes Weisheit in Israel oder bei den Königen in Jerusalem ihren Machtbereich hatte?
Was ist überhaupt Weisheit? Vielleicht eine Kraft, die man (nur) an ihren Früchten erkennen kann?
Dann bin ich bei der Frage: Sind die Verhältnisse in der Welt, im Volk Gottes, in meinen eigenen Lebenszusammenhängen, Früchte des Wirkens der göttlichen Weisheit? Da komme ich schnell ans Ende: Wohl eher nicht. – Das will ich nicht gelten lassen.
Denn es steht im Text: Die Weisheit ist da, „fest eingesetzt“.
Gott ist da, er hat sich festgelgt auf uns. Das feiern wir an Weihnachten. Er ist in unserer Welt, überall und bei allen.
Immanuel – Gott mit uns.
„Die Weisheit lobt sich selbst.“ Wie macht sie das? – Sie freut sich daran und lobt ihren Schöpfer, der das alles für sie getan hat. Das gefällt mir gut.
Was antworte ich dem Herrn?
Gott, sei bedankt für die Hoffnung, die du säst, wenn du sagst: Ich bin da. Laß die Hoffnungslosen Licht sehen. Zeige Wege, wie dein Friede Raum gewinnen kann, damit alle Menschen leben können – in Israel und Palästina und überall auf der Welt und auch in mir und durch mich.
Wie kann ich heute mit dem Text weitergehen?
– Ich kann heute etwas Schönes sehen, was meine Augen und mein Herz erfreut.
– Ich kann heute üben: Erst denken, dann reden.
– Ich kann mir heute fünf Minuten Zeit nehmen und bedenken, was mir in der vergangenen Woche als persönliches Geschenk widerfahren ist.