Von der Freude des Himmels


Lectio divina zu Lk 15,1-3.11-32
Evangelium am 24. Sonntag im Jahreskreis

1 Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm, um ihn zu hören. 2 Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Dieser nimmt Sünder auf und isst mit ihnen. 3 Da erzählte er ihnen dieses Gleichnis und sagte: … 11 Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne. 12 Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht! Da teilte der Vater das Vermögen unter sie auf. 13 Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. 14 Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er begann Not zu leiden. 15 Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. 16 Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon. 17 Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben Brot im Überfluss, ich aber komme hier vor Hunger um. 18 Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. 19 Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner! 20 Dann brach er auf und ging zu seinem Vater. Der Vater sah ihn schon von Weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. 21 Da sagte der Sohn zu ihm: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein. 22 Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt einen Ring an seine Hand und gebt ihm Sandalen an die Füße! 23 Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. 24 Denn dieser, mein Sohn, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden. Und sie begannen, ein Fest zu feiern. 25 Sein älterer Sohn aber war auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. 26 Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. 27 Der Knecht antwortete ihm: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn gesund wiederbekommen hat. 28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu. 29 Doch er erwiderte seinem Vater: Siehe, so viele Jahre schon diene ich dir und nie habe ich dein Gebot übertreten; mir aber hast du nie einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. 30 Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet. 31 Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir und alles, was mein ist, ist auch dein. 32 Aber man muss doch ein Fest feiern und sich freuen; denn dieser, dein Bruder, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.

Was sagt der Text?
Mit drei Gleichnissen zum Thema Verlieren – Wiederfinden – die daraus resultierende Freude rechtfertigt Jesus sein Verhalten gegenüber den Berufsfrommen. Er verkehrt mit offensichtlichen Sündern. V 4-10 (das verlorene Schaf und die verlorene Drachme): Gott hat mehr Freude an der Umkehr eines einzigen von ihnen als an hundert Gerechten.
Die Geschichte „vom verlorenen Sohn“ oder „von den ungleichen Söhnen“ oder vom „barmherzigen Vater“ ist ausführlicher. Es geht nicht um ein Tier, einen Gegenstand, die gefunden werden, sondern der Prozeß der Umkehr eines Menschen wird erzählt. V 11-13: Der jüngere Sohn geht weit weg vom elterlichen Haus und rutscht mit dem geerbten Geld ab in ein ausschweifendes Leben. V 14-19: Der Abstieg geht weiter. Das Geld ist weg, schließlich findet er sich bei den Schweinen, ohne daß er damit sein Leben retten kann. Ganz unten findet er einen Ausweg und faßt den Entschluß: Ich kehre zurück, gestehe meine Schuld ein, biete an, dafür zu büßen.
V 20-24: Was niemand erwartet hätte: Die Freude des Vaters ist so groß, daß er alles gut macht für ihn, üppig, im Überfluß. V 25-32: Der ältere Sohn, immer treu und ergeben geblieben, nimmt das Verhalten des Vaters nicht hin. Er distanziert sich von ihm und vom Bruder: „Dein Sohn“. Damit verpaßt er das große Fest. Auf die schöne Geschichte fällt ein Schatten. Sie endet mit einem Bedauern.
Zweimal werden die wichtigen Worte wiederholt. Die des Sohnes der das bei sich Beschlossene dann auch wirklich so ausspricht. Die des Vaters, der seine Anweisungen an die Knechte gegenüber dem Älteren bekräftigt.

Was sagt der Text mir?
− Es gibt keine hoffnungslosen Fälle! Gott hat ein unendlich weites Herz für alle. Was für eine frohe Botschaft! Was für ein An-Spruch an uns: Jede, jeder ist es wert!
− Das Bedauern am Ende für den älteren Sohn läßt wünschen, daß er doch noch die Kurve kriegt. Jetzt ist er es, der in sich gehen und aufbrechen muß. Ob er es schafft? Stecken nicht in uns allen Anteile von beiden Söhnen? Wo stehe ich gerade?
− Das Evangelium mag vielleicht viele an die gegenwärtig hohen Austrittszahlen erinnern. Wird die Kirche lernen, die Weggegangenen mit Achtung und Liebe, mit Gebet und gutem Willen auf ihren Wegen zu begleiten?

Was antworte ich dem Herrn?
Herr Jesus Christus, du hast gegen alle Widerstände verkündet und vorgelebt, wie sehr der Vater im Himmel alle seine Menschenkinder liebt. Stärke in uns die Bereitschaft zu Offenheit und Annahme, immer und überall.

Wie kann ich heute mit dem Text weitergehen?
− Ich kann heute „Aufbruch“ üben – wenn ich von einem Stuhl aufstehe, wenn ich einen Raum, meine Wohnung verlasse.
− Ich kann heute wahrnehmen, was „unten“ ist.
− Ich kann heute einen Schritt auf jemanden zu machen, ganz konkret in einer realen Begegnung, oder wenn ich telefoniere, jemandem schreibe.